Apotheker vor Ort beraten ihre Kunden gerne und kompetent. Dennoch werden Medikamente zunehmend online gekauft – eine Gefahr für den Verbraucher, meint Göran Donner, Vizepräsident und Pressesprecher der Sächsischen Landesapothekerkammer.
Herr Donner, Deutschland verfügt über ein relativ engmaschiges Apothekennetz – warum kaufen Menschen dennoch Arzneimittel im Internet?
Im Internet zu kaufen ist unkompliziert, bequem und vor allem diskret. Deshalb werden vor allem sogenannte „Lifestyle-Arzneimittel“ wie Potenzmittel, Schlankheitspillen, Anabolika oder Haarwuchsmittel bevorzugt auf diesem Weg erworben. Online erhältlich ist – und gekauft wird – aber die gesamte Produktpalette, von Antibiotika bis Verhütungsmitteln.
Welche Risiken birgt das für die Kunden?
Da ein persönliches Beratungsgespräch von Angesicht zu Angesicht beim Online-Kauf schlicht nicht möglich ist, kann der Online-Händler nicht auf individuelle Besonderheiten des einzelnen Patienten eingehen. Und er hat – anders als die Apotheke vor Ort bei ihren Stammkunden – auch keinen Überblick über die sonstige Medikation des Patienten. Beides kann aber – etwa bei Fragen zur Einnahme oder Neben- und Wechselwirkungen, bei Unverträglichkeiten und Allergien – ganz entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg einer Arzneimitteltherapie sein und im schlimmsten Fall sogar fatale Folgen haben. Zudem erhöhen die Anonymität beim Kauf und die leichte Verfügbarkeit der Waren die Missbrauchsgefahr, zum Beispiel durch Minderjährige, beides kann einer Medikamentenabhängigkeit Vorschub leisten.
Wie hoch ist die Gefahr, an gefälschte Arzneimittel zu geraten?
Bei illegalen Anbietern – meist sitzen diese im Ausland – schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass etwa die Hälfte der Arzneimittel gefälscht ist. Dann ist die Gefahr groß, dass sie gar keinen, einen falschen oder zu wenig bzw. zu viel vom richtigen Wirkstoff oder sogar weitere gesundheitlich bedenkliche oder giftige Substanzen enthalten. Zudem werden Arzneimittelfälschungen oft unter dubiosen hygienischen Bedingungen hergestellt, zum Beispiel in Hinterhöfen oder Garagen. Weil sich mit solchen Imitationen viel Geld verdienen lässt, setzen die Fälscher leichtfertig Leben und Gesundheit vieler Menschen aufs Spiel.
Selbst bei nicht gefälschten Arzneimitteln ist der Kauf außerhalb der Apotheke mit Risiken behaftet: Denken Sie an fehlende oder fremdsprachige Gebrauchsinformationen oder ungeeignete Lager- und Versandmethoden – etwa, wenn zu kühlende Medikamente beim ahnungslosen Nachbarn abgegeben werden. Häufig entziehen sich die Versender der Verantwortung für solche Fehler von vornherein, indem sie das Risiko vollständig auf den Käufer abwälzen – hier lohnt sich also vor dem Kauf ein Blick in die AGB. Doch weil Arzneimittel aus deutschen Apotheken als sehr sicher gelten, kommen viele Menschen gar nicht auf die Idee, dass dies nicht automatisch auch für Medikamente aus dem Internet gilt.
Woran kann man denn erkennen, ob ein Arzneimittel gefälscht ist?
Echte von gefälschten Arzneimitteln zu unterscheiden, ist für den Laien meist gar nicht und selbst für Experten oft nur mittels Laboruntersuchung möglich. Aber es gibt Warnzeichen: Unseriöse Anbieter werben oft extrem aggressiv, teils mit Niedrigstpreisen, und verzichten selbst bei verschreibungspflichtigen Präparaten auf die Vorlage des ärztlichen Rezepts. Meist verschleiern sie auch, wer hinter dem Unternehmen steckt beziehungsweise wo es seinen Sitz hat, damit keine haftungsrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden können. Wer auf Nummer sicher gehen will, versorgt sich mit Medikamenten und Medizinprodukten ausschließlich in der heimischen Apotheke. Dort sind Arzneimittelsicherheit und professionelle Beratungsqualität gewährleistet. Hinzu kommen zahlreiche gesundheitsbezogene Dienstleistungen, die kein Computer leisten kann, außerdem die Anfertigung von individuellen Rezepturen und nicht zuletzt die Kontrolle von Fertigarzneimitteln und Arzneimittel-Ausgangsstoffen.
Wieso werden Fertigarzneimittel oder ihre Grundstoffe noch einmal kontrolliert?
Globalisierungsbedingt stammen mittlerweile etwa 80 Prozent der Arzneistoffe, die hierzulande in Medikamenten stecken, aus Indien oder China, oft wird die gesamte Produktion ins Ausland verlagert. Die Qualitätsanforderungen sind zwar unabhängig vom Fabrikationsort für alle Hersteller dieselben. Ihre Einhaltung vor Ort im Ausland zu kontrollieren, ist aber naturgemäß schwieriger. Genau hier schließen die hiesigen Apotheken eine entscheidende Lücke: Sie überprüfen Tag für Tag stichprobenartig, ob die Arzneimittel, die sie ausgeben, auch tatsächlich halten, was sie versprechen. So sorgen sie dafür, dass hierzulande so gut wie nie eine Fälschung über den Apothekentresen wandert, und leisten damit einen unverzichtbaren Beitrag zum hohen Standard der Arzneimittelsicherheit in Deutschland.
Quelle: SLAK